Freitag, 14. August 2009

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Von der Natürlichkeit des Seins

Für einen Sänger gehört der Liederabend zum Schwersten. Vor Hunderten oder Tausenden allein auf dem engen Quadratmeter neben dem Flügel zu stehen und nur sich selbst und seine Stimme zu haben, kommt einer Selbstenthüllung gleich, die nicht selten in einen Seelenstriptease mündet. Kein Orchesterrauschen, hinter dem man sich stimmlich verstecken könnte, keine Bühnenaktion, die geeignet wäre, eine Unsicherheit zu kaschieren. Nur Stille, Konzentration, schwingende Seele.

Anna Netrebko hat jetzt einen Liederabend gegeben - und was für einen! Die seit ihrer Salzburger Donna-Anna-Partie (2002) gefeierte Russin hat sich mit der Pianistin Elena Bashkirova zusammengetan und ist nach Mannheim gekommen, um das erarbeitete Material einmalig in Deutschland zu präsentieren. Das Unternehmen wurde - wie könnte es anders sein bei "La Netrebko" - ein großer Erfolg. Am Ende klatschten die 1800 Zuhörer (und -schauer) frenetisch, viele davon im Stehen.

Eine rauschende Liebeserklärung

Dabei hatte der Abend am Ende einen eindeutigen Bruch: Nach 20 zumeist melancholisch gefärbten Werken von Nikolai Rimski-Korsakov und Peter Tschaikowsky, nach der als Zugabe präsentierten Zigeunerweise "Als die alte Mutter" von Antonín Dvórak springt die Netrebko plötzlich zu Richard Strauss - und singt die "Cäcilie", ein Lied, das der Komponist 1894 am Vorabend zur Hochzeit seiner Braut schenkte - ein großer, ein leidenschaftlicher Heiratsantrag, der, von Netrebko in bester deutscher Diktion gesungen, zur euphorisch rauschenden Liebeserklärung an das Leben wird (nebenbei: Netrebko selbst soll bald ihren Liebhaber Erwin Schrott heiraten).

Erst hier, in Strauss' radikaler Extrovertiertheit, die die Sängerin hinauf in die Gipfel des zweigestrichenen H führt, geraten die Emotionen im Publikum in Wallung. Deswegen hat sie "Cäcilie" gesungen. Nach all der russischen (und tschechischen) Melancholie musste etwas Positives her, ein Schub an Glückshormonen. Außerdem ist Anna Netrebko in solchen Werken ganz bei sich.

Ihre Stimme ist noch wärmer, runder, wenn man so will: gehaltvoller und obertonreicher geworden. Locker füllt noch ihr Pianissimo den eigentlich für einen solch intimen Abend zu großen Mozartsaal. Ihr Ton schwingt, ist im Raum omnipräsent. Das zeichnet große Stimmen aus.

Bei aller Bewunderung für die Schönheit dieser Belcanto-Stimme: Dass Anna Netrebko keine erfahrene Liedsängerin ist, merkt man daran, dass sie einen wichtigen Aspekt des Liedgesangs unterbelichtet: das farbliche Charakterisieren von Stimmungen, Perspektivenwechseln und Dialogen in den vertonten Gedichten von Apuchtin, Tolstoj und Puschkin - oder Majkow, in dessen von Tschaikowsky vertontem "Wiegenlied" im Grunde drei vollkommen unterschiedliche Stimmen gebraucht werden: Erzähler, Mutter und Kind. Hier bleibt Netrebkos Ton etwas monochrom, und gern erinnert man sich an die Möglichkeiten, die Sänger wie Dietrich Fischer-Dieskau oder Hermann Prey in Schuberts "Erlkönig" virtuos vorführten, wenn sie Erzähler, Vater, Kind und Erlkönig in vier Facetten zum Leben erweckten.

Nun sind die Lieder Rimski-Korsakovs und Tschaikowskys keine komplexen Kunstlieder wie die Schuberts, haftet ihnen doch mehr Volksliedhaftes an. Und was Netrebko stimmlich nicht einbringt, macht sie - ganz Opernsängerin mit Leib und Seele - gestisch und spielerisch wett. Mal sitzt ihr in Rimski-Korsakovs "Verzeih! Gedenk nicht mehr der Tage der Verzagtheit" der Schalk im Nacken, mal ballt sie wütend die Fäuste, wenn sie in Tschaikowskys "Warum?" vom Verlassenwerden singt.

Seele in Schwingung

Man muss die Netrebko schon ihrer Natürlichkeit wegen lieben. Dass nun bereits zum dritten Mal bei solch einem Konzert der Deutschen Entertainment AG zu Beginn des Konzerts keine gedruckten Programme vorliegen (woran keiner schuld sein will), überspielt sie, indem sie die Texte vor jedem Lied auf Deutsch lesen lässt, was den Nachteil hat, dass dem Abend der Spannungsbogen reißt. Sie bleibt da locker. Sympathisch.

Am ergreifendsten ist sie, wenn sie etwa beim Klaviervorspiel der exzellent und subtil begleitenden Elena Bashkirova zu "Ich war doch wie das Gras am Feld" charmant lächelt, ihre Seele in Schwingung bringt und dann eine Phrase singt, die in ihrer sanft tönenden Tragweite bis ins Universum zu fliegen scheint. Ein großer Abend!


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